Schriftsteller

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Güni Noggler

Geb. 1962, Schwaz, Tirol, Austria

Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Radio, Videos, Theater, Workshops, Performances, Einzelausstellungen (Bilder, Skulpturen, Texte, Installationen).

Lesungen und Workshops im In- und Ausland.

Güni Noggler, Freundsberg 10a, 6130 SCHWAZ, AUSTRIA; Mail: g.noggler(a)aon.at; Tel.: +43 (0)5242 74 168


Put out  Put in!

Irre Despoten (und hier ist das Gendern tatsächlich überflüssig) gehören für immer gestoppt!


Ein Kerzerl fürs Herzerl

Die jungen Leute zu überzeugen das ist nicht schwer. Man muss es da nur verstehen, diesem pubertären Überschwang, diesen strotzenden Kräften und hormonellen Säften mit Sang und Klang, Enthusiasmus und Forschheit zu begegnen. Das zieht. Auf jeder seiner Bergtouren scharte Herbert K. deshalb zumindest eine Handvoll von Jungen und Maiden um sich, damit sie nicht nur seine altersgerechten Weisheiten, sondern auch seine körperliche Ausdauer bewundern konnten.

Kraft und Freude. Mens sana in corpore sano. Herbert K. griff gerne auf seine humanistische Bildung zurück. Bewusste Hierarchien. Oben und unten. Nicht als reine Verordnung, sondern als logische Konsequenz der gemeinschaftlichen Verantwortung für das Volk. Die Bergpredigten des Herbert K.: Die da oben; die Eliten, die unsere Heimat verkaufen; die sich lieber auf die Straßen picken als arbeiten; denen Gendern wichtiger ist als die eigene Sprache; die den Wirtschafts- und sonstigen Flüchtlingen sogar noch das Schlauchboot selber aufblasen.

Herbert K. verstand es seine Ziele so zu formulieren, dass seine Jungen und Maiden ihm mit einem stürmischen, austriakischen Hosianna huldigten.

Eine gute Predigt kann man stets wieder verwenden. Kinder wollen ja auch die gleiche Geschichte immer und immer wieder hören.

Die Jugend war also kein Problem, die wusste Herbert K. zu bedienen. Sein Problem waren die Gleichaltrigen, die Älteren, die seinen Werdegang kannten. Die ihn kannten. Denen Loyalität nur so lange galt, als er bei Wahlen Gewinne einfuhr und Posten und Pöstchen zu verteilen hatte. Je größer und fetter der Trog, umso besser. Für ein paar hundert Euro mehr und ein wenig Platz an der Sonne der politischen Eitelkeiten wurde jeder Gemeinderat umgehend zum Finanzexperten für die Nationalbank. Davon konnte Herbert K. schon aus seiner Zeit als Minister ein Lied singen.

Die Jungen verehrten ihn, aber die Alten – von deren Seite gab es nicht einmal so etwas wie Zuneigung. Für keinen von ihnen, für keinen aus seinem politischen Lager war Herbert K. auch nur ansatzweise so etwas wie DER Lebensmensch. Niemand würde mit bebender Stimme und tränenersticktem Schluchzen behaupten, dass mit ihm die Sonne unterging. Niemand. Für Herbert K. gab es nur diese aus Vorsicht vor seiner innerparteilichen Macht schon fast bücklerische Achtung. Von echter Zuneigung keine Spur. Keine persönliche Verbundenheit, keine intime, zusammengeschweißte Freundschaft auf die er sich durch dick und dünn verlassen konnte. Herbert K., der einsame Wolf. Der unermüdliche Arbeiter, der nimmermüde Prätorianer, der so lange Jahre in der zweiten Reihe für die Ellbogen- und Beinfreiheit von Jörg und HC selbstlos geschuftet hatte. Herbert K., das Arbeitstier. Der im Grunde farblose und eher unscheinbare, nicht hinkende Einpeitscher von propagandistischen Platitüden. Sie brauchten ihn, aber sie liebten ihn nicht. Zwar klopften ihm die alten Kameraden jovial auf die Schulter, aber hinter seinem Rücken sind sich doch alle sicher, dass ihm, Herbert K., letztendlich das Format eines HC, oder gar eines Jörg Haider vollkommen fehlt. Ja, er hatte deren griffige Parolen gezaubert, deren Aschermittwochreden mit schenkelklopfigen Kalauern gefüllt, aber Ausstrahlung, wirkliche Ausstrahlung oder gar Charisma, das fehlte ihm.

Er spürte diese Skepsis, diese fast schon mitleidsvolle Attitüde seiner Kameraden. Wer glänzen will muss selbst zur Sonne werden! Muss sich befreien, die Altlasten der Vorgänger abstreifen.

Dies wurde Herbert K. in aller Deutlichkeit klar, als er eines Abends zur Entspannung noch schnell mit seinem Rennrad ein paar Dutzend Kilometer herunterstrampelte. ER hatte die besten Sprüche für die Plakate geliefert, ER hatte für Jörg die besten Sager kreiert, ER hatte diesen Oberösterreicher zum Vorzeigekärntner gemacht!

Und dann dieser Vandalenakt in Lambichl, an der Gedenkstätte für Jörg Haider: Kerzen und Kerzenhalter zerbrochen, zerstört, umgeworfen; ein Bild der Verwüstung; samt nachfolgendem Aufschrei vom Hafenecker und den anderen Kärntner Parteien. Mit polizeilicher Ermittlung.

So leicht ging das. Ganz von selbst. Beim Vorbeiradeln abbremsen, absteigen, ein Blick nach links, ein Blick nach rechts, einen abgebrochenen Ast aufklauben und dann mit vollem Furor und ein paar gezielten, gekonnten und messerscharfen Hieben, im Licht der Dämmerung die ganzen Kerzen samt Halterungen kurz und klein schlagen! Ein Rausch! Eine Befreiung! Eine ungeahnt betörende, innerliche Befriedigung. Die Vernichtung der leidigen Erinnerungen an diesen ödipalen Übervater.

Herbert K. hatte es geschafft. Er war frei. Ein Mensch. Ein Lebensmensch. Eine Leuchtfigur. Ein ewiges Licht! Eine Kerze.

(C) Güni Noggler, Februar 2024